Mittwoch, 28. Juni 2023

Tag 32: Schön weichgekocht auf der Landstraße.

Mittwoch, 21.06.2023
Morgens 13°, Nachmittags 31°; sonnig mit Quell- und Gewitterwolken
7h mit Pausen, 5h reine Laufzeit
24km
Valmiera nach Burtnieki

Der gestrige Abend war ein bißchen wie ein schlechter Fiebertraum... Ich habe mich vor dem Einschlafen nochmal gezwungen, mir die Rote für die nächsten Tage anzuschauen und je länger ich darüber gebrütet habe, umso komplizierter und später wurde der Abend.

Problem Nr. 1: Für morgen sind hier ordentliche Gewitter angesagt, es soll den ganzen Tag regnen. Und dann Abends das Zelt aufbauen, herrlich. Problem Nr. 2: Freitag auf Samstag drehen die Letten durch, Mittsommernacht, Johannisfest, niemand schläft bis zum Sonnenaufgang, alle betrunken. Habe ich Lust, mir an einem solchen Abend einen Campingplatz zu teilen? Problem Nr. 3: Durch das Wochenende sind auch alle Übernachtungsmöglichkeiten bis zum ersten größeren Ort in Estland ausgebucht. Das ist besonders doof, weil hier über viele viele Kilometer kein ordentlicher Platz zum Zelten kommt, kein See, kein Fluß. Nur Leere. Alles unbefriedigend.

Ich löse das Problem, indem ich mir selber einen Wunsch erfüllt. Zwei Tage sehr spontane Pause in Valmiera. Und wenn ich dann Samstag wieder loslaufe, sind die gerade genannten Probleme durch und erledigt. Und ich tue mir selber damit auch den Gefallen, daß ich nochmal ausspannen kann. Ich merke in den letzten Tagen schon wieder, wie meine Kräfte nachlassen.

Also ist wieder ein bißchen Logstik im Spiel: Ich wandere heute nach Burtnieki (wo es keine gute Übernachtungsmöglichkeit gibt), fahre mit dem Bus zurück nach Valmiera, übernachte 2 Tage hier, und fahre am Samstag wieder mit dem Bus nach Burtnieki, knüpfe an meine Strecke an und weiter geht’s.

Leider kann ich mein Apartment von letzter Nacht nicht verlängern, also muß der komplette Rucksack mit. Noch schöner wäre es natürlich gewesen, wenn ich ein bißchen von dem Krempel hier in Valmiera hätte lassen können. Bin ja heute Abend wieder zurück. Aber ich habe es jetzt über einen Monat geschafft, den Kram mitzuschleppen. Also wird heute auch noch gehen.


Mit vollem Gepäck auf den Rücken raus aus der Stadt. Das Letzte, was ich von Valmiera sehe, ist der Knast. Mit angeschlossenem Sägewerk. Also den Dimensionen nach eigentlich genau andersherum: Ein riesiges Sägewerk mit angeschlossenem Knast. Aber ich kann nicht weiter drüber nachdenken, denn da vorne endet der Asphalt und beginnt der Schotter und ich sehe schon die erste bedrohliche Staubwolke in Gestalt eines Holz-Trucks auf mich zukommen.

Der Rest der Etappe ist schnell erzählt, weil tragisch langweilig. Wieder ein Straßentag. Ein ganzer Tag auf einer Schotterstraße, meistens in der Sonne, alle Stunde mal ein Auto. Zwischendurch der Mittagsbus, einmal nach Burtnieki, einmal nach Valmiera. Die einzigen Unterbrechungen sind ein paar Pausen, für die ich mich in den Schatten verziehe. Der Nachmittag wird brütend heiß, ich freue mich auf dem glühenden Asphalt über jedes Stück Schatten und jedes Fitzelchen Wind. Teilweise bleibt mir der Asphalt unter den Stiefeln kleben, bis ich gelernt habe, auf welche Stellen ich problemlos drauftreten kann und auf welche nicht.

Kurz vor Burtnieki treffe ich zwei junge Männer am Straßenrand, die sich mit ihren Autos hier zufällig getroffen haben. Sie sind sofort neugierig, was ich hier mit dem Rucksack mache. Wir wechseln ins Englische und erkläre meine Reise, ich sehe das Fernweh in den Augen der Herren. Und bekomme sofort eine kurze Übersicht serviert, welche Möglichkeiten ihr Dorf Burtnieki so bietet. Du könntest Schwimmen gehen. Oder die Aussicht vom Aussichtsturm genießen. Den alten Schloßpark, sehr zu empfehlen. Da vorne das Gasthaus, lecker Essen. Und der Laden. Du kannst auch ein Boot mieten.

Mich beruhigt das total, deckt sich alles mit meinen Recherchen, aber alles was ich heute nach diesem Tag noch will, ist ein Bus, der mich wieder nach Valmiera bringt. Ich fühle mich nach den Stunden auf der Landstraße ein bißchen wie auf einem Dönerspieß, fein geröstet.


Im Laden wie immer Getränke und Eis, ich setze mich in den Schloßpark und genieße, gucke dabei Teiche, Enten und Spazierpublikum. In einer guten halben Stunde geht mein Bus zurück, die halbstündige Fahrt in der gut klimatisierten Marschrutka kostet schlappe 1,65 EUR. In Valmiera beziehe ich das nächste Apartment, nutze ausgiebig das erschreckend große Bad und sitze bei Sonnenuntergang in der Unterhose mit einem Bier auf dem Balkon, genieße die kühlere Abendluft und freue mich auf zwei freie Tage. Samstag fahre ich wieder nach Burtnieki, dann geht’s von dort weiter.

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