Samstag, 3. Juni 2023

Tag 15: Ab wann gilt Wetter eigentlich als herbstlich?

Samstag, 27.05.2023
Morgens 6°, Nachmittags 16°; kalt und windig
7,25h mit Pausen, 5h reine Laufzeit
22km
Miškiniškės nach Salakas

Das geht ja GUT los! Keine 200m nachdem ich losgelaufen bin, stehe ich schon vor dem ersten Hindernis. Eigentlich wollte ich diesen Weg nach Norden nehmen, damit ich nicht auf der Straße laufen muß, aber da ist nur Sumpf und Gestrüpp. Hier ist wahrscheinlich zu Sowjetzeiten das letzte Mal ein Traktor langgefahren. Also drehe ich murrend wieder um, laufe nochmal am Tor meiner Unterkunft von gestern Abend vorbei und peile mich seufzend in Richtung Straße.

Wie um diese Niederlage zu heilen, biege ich eine Stunde später spontan nach links in den Wald ab. Wird sich schon ein passender Weg finden. Und es ist ein Glücksgriff. Noch ein verlassenes Haus ganz alleine auf der Waldlichtung, und die nächste Stunde laufe ich über kleine stille Forstwege, die von niemandem mehr begangen oder befahren werden, seit die letzten Holzfäller hier waren. 


Mittagspause neben der Kuhweide, ich habe ausnahmsweise einen Bärenhunger und futtere mich nah an den Boden meines Essensbeutels heran. Ich telefoniere ein bißchen mit der Heimat, blinzele in die dünne Sonne und lese noch etwas.

Der Rest der Etappe verschwimmt leicht zwischen schmerzenden Knien, der Lust gleich wieder Pause zu machen, dem Wunsch doch bitte bald anzukommen und Kopf ausschalten. Immerhin sehe ich den ersten Storch mit Nest in diesem Jahr und treffe kurz darauf im Wald auf eine Auerhenne, die nicht begeistert davon ist, daß ich da auf dem Weg neben ihrem Gelege vorbeilaufe.

Heute Abend weiß ich noch nicht genau, wo ich landen werde. Die Etappe ist nicht lang, was mir ehrlich gesagt ganz gut entgegenkommt. Ich bin zur Hälfte des Tages schon platt. Immerhin gibt es am heutigen Ziel in Salakas einen kleinen Laden, ein Gästehaus und als Naturalternative den Zeltplatz am See. Ich bin mir sicher, daß ich zwei dieser drei Einrichtungen heute auf jeden Fall nutzen werde.

In Salakas dann plötzlich wieder geteerte Gehwege und Zivilisation, eine vollkommen überdimensionierte Kirche und touristische Wegweiser. Ich leere im Park erstmal den Sand der letzten Stunden aus meinen Stiefel und entere den lokalen Aibė. Zwei oder drei Runden durch den kleinen Laden, dann habe ich alles beisammen. Ein paar Getränke, etwas Brot, was Süßes. Und zur Krönung ein Eis. Warum zur Hölle habe ich da nicht früher dran gedacht?! Als ich gerade meine Einkäufe zusammenpacke, kommen drei Jungs mit Wanderrucksäcken und draufgeschnallen Isomatten rein. Mit einem kurzen gegenseitigen Kopfnicken bestätigen wir uns gegenseitig, das wir das Richtige tun.

Ich entscheide mich für den Zeltplatz am See und gegen das Gästehaus. Was soll ich denn da, wenn ich auch am See zelten kann? Sind zwar 1,5km mehr Strecke, aber das geht noch. Unten am Zeltplatz bin ich unter diversen Wohnmobilisten der einzige Gast, ich suche mir einen schönen ruhigen Platz und breite mich aus.


Der Abend ist kalt und schattig, ich erwische mich immer wieder dabei, wie ich zitternd an meinem Picknicktisch sitze. Gleichzeitig versuche ich irgendwie zu verdrängen, daß mir kalt ist... Umso schneller schließe ich den Abend ab, gehe kurz vor Sonnenuntergang nochmal schwimmen, erschrecke im glasklaren Wasser diverse Fische und freue mich schon beim Abtrocknen darauf, gleich in den warmen Schlafsack kriechen zu können.


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