Freitag,
26.05.2023
Morgens
7°, Nachmittags 21°; sonnig und windig
7h
mit Pausen, 4,5h reine Laufzeit
22km
Ginučiai
nach Miškiniškės
Durch den spontanen Pausentag gestern bin ich ein bißchen in meine alte Planungsfalle hineingetappt. Obwohl ich eigentlich mein Zelt und alles dabei hätte, um überhaupt nicht vorplanen zu müssen, hatte ich vor ein paar Tagen einige Unterkünfte vorgebucht. Nun stehe ich vor der ätzenden Frage: Was tun? Der Wirt des Hotels in Labanoras hat angeboten, mich nach Ginučiai zu fahren, was der Startpunkt der nächsten Etappe ist. Also tue ich genau das, überspringe damit einen Wandertag und habe auf jeden Fall schonmal einen Grund mehr, nochmal nach Labanoras zurück zu kommen, wenn ich im August auf dem Weg nach Finnland wieder in Litauen Station mache.
Also steige ich zu Raimundas in einen quietschroten Multivan und wir fahren in Rallye-Geschwindigkeit gen Nordosten. Und mit Rallye-Geschwindigkeit meine ich so 140km/h auf der Landstraße und 120km/h durch die Dörfer. Das passt ein bißchen dazu, daß ich sowieso schon seit Wochen über die Kaltschnäuzigkeit der Litauer staune, ihre Autos unbarmherzig über die schlimmsten Schlagloch- und Sandpisten zu prügeln.
Der heutige Weg ist wieder links und rechts gesäumt von einzelnen kleinen Häusern und Höfen, inmitten von Hügeln, mit gepflegten Gärten und liebevoll angelegten Blumenbeeten. Ich mache deutlich mehr Pausen als sonst, auch weil ich mich heute ausgelaugter fühle als in den letzten Tagen. Seltsam – wenn ich mir vorstelle, daß ich letzte Woche kurz vor Vilnius ohne zu zucken weit über 30km gelaufen bin, könnte ich mir das heute überhaupt nicht vorstellen. Wahrscheinlich ein kleines Formtief. Denn eigentlich sollte ich nach 2 Wochen unterwegs so weit eingelaufen sein, daß mir die Entfernungen nicht mehr so viel ausmachen.
Ich klopfe an die erste Tür und eine freundliche alte Dame wie aus dem Hexenmärchen öffnet, wir verständigen uns mit einigen Worten Litauisch und Deutsch, mein Zuhause für heute Nacht ist eine Symphonie in Braun und Grün. Trotz Lost in Translation verstehe ich irgendwie, daß es um 18:00 Essen geben soll, also stehe ich pünktlich auf der Matte. Sowas lasse ich mir inzwischen nicht zweimal sagen, auch wenn ich nicht mit Abendessen gerechnet hatte und deswegen noch etwas Proviant im Rucksack habe.
Und so sitze ich mit der Familie der Besitzerin und deren Freunden an einem großen Tisch, es gibt Kalbfleisch und allerlei Gemüse aus dem Ofen, sauren Kohl und saure Gurken, Tee und Melone zum Nachtisch. Und das tat richtig gut. Einen etwas mauligen und sperrigen Tag mit einem unverhofften Abendessen und ein bißchen Plauderei abzuschließen, ist auf jeden Fall ein guter Ausgang.
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