Dienstag, 23. Mai 2023

Tag 5: Die erste lange Etappe.

Dienstag, 16.05.2023
Morgens 13°, Nachmittags 19°; bedeckt und windig
8h mit Pausen, 6,5h reine Laufzeit
33km
Mielupiai nach Antakalnis


Es hat die Nacht durchgeregnet, ich habe glücklich in meiner Blockhütte am Waldrand gelegen und dem Regen zugehört. Am frühen Morgen wird es still und draußen liegt nasser Wald unter einem bedeckten Himmel und gibt ein so ganz anderes Bild ab als die letzten Tage.

Ich quäle mich um kurz nach 06:00 aus dem Bett, heute habe ich einen langen Tag vor mir. Eigentlich die erste richtig lange Etappe, vor der ich ordentlich Respekt habe. Bis ich meinen Apfel gefrühstückt und alles zusammengeräumt habe, ist 07:30 durch und ich stelle mich vor der Hütte auf und zuckele los.




Im Sägewerk drüben im Dorf wird schon gearbeitet, man kann es hören und auch riechen. Aber niemand sieht mich, ich schlüpfe einfach so durch das Dorf durch und verschwinde im nächsten Waldstück. Im Verlauf des Tages ändert sich langsam die Landschaft; immer wieder komme ich an Feldern vorbei, auf denen der Wind angenehme Erfrischung mitbringt. Der Tag ist nicht warm, aber die Luft ist maximal feucht und legt sich wie ein nasses Handtuch auf meine Arme.

Der kleine Dorfsupermarkt Aibė in Valkininkai versorgt mich nochmal mit ein paar Getränken und einem Stück Käse; mehr Lebensmittel muß ich echt nicht einkaufen. Ich habe sowieso das Gefühl, daß ich im Rucksack noch Essensvorräte für Tage mitschleppe, auch wenn's eigentlich nicht so ist. Da sind noch 6 Scheiben Brot, ein paar Schokoriegel für den Notfall, noch ein Stück Käse, zwei Äpfel. Die guten getrockneten Snack-Schinkenscheiben, quasi das litauisches Jerky. Und mein neues „guilty pleasure“: Saure Streifen im Regenbogenlook. Hört sich nicht nach ausgiebigen Mahlzeiten an, aber seit ich hier unterwegs bin, reicht das gefühlt für 3 Tage.

Eine halbe Stunde auf der nächsten Schotterstraße gen Horizont hält ein kleines graues Auto neben mir und die Fahrerin rasselt irgendwas auf Litauisch runter. Lost in Translation. Wir verwirren uns weiter gegenseitig und als sie mich schließlich energisch vor die Wahl stellt, 3km mitzufahren oder zu Fuß zu gehen, checke ich erst, daß sie mich die ganze Zeit mitnehmen wollte. Meine Ablehnung nimmt sie persönlich, flippt das Autofenster hoch und gibt Gas.

 







Drüben am Waldrand endlich Mittagspause und in den Stunden danach beginnt das Reigen der malerischen Dörfer. Tiltai, Klepociai und Vaikšteniai sind ein Aneinanderreihung von alten Holzhäusern mit holzverzierten Giebeln, weiß bemalten Fenstereinfassungen, die Wände bunt oder blass angestrichen. Uralte Kastanien stehen über uralten Höfen, manche Scheune ist schon wieder in sich zusammengesackt. Aus dem am meisten verwucherten Haus tönt ein Radio und eine alte Frau ruft jemandem fröhlich etwas zu. Darüber peitscht der Wind die Wolken nach Norden und es fühlt sich fast wie ein melancholischer Herbsttag an. Kein einziges neues oder modernes Haus in diesen Dörfern, niemand hat sich hier einen unmöglichen Zaun hingestellt oder gar einen vormontierten Carport. Es ist für mich wie eine Zeitreise 70 oder 100 Jahre zurück.

Danach wieder Felder und Hügel, am Himmel dreht ein kleines Flugzeug seine Runden. Es ist der Vorbote auf meine etwas schräge Übernachtungsmöglichkeit heute. Neben dem Flugplatz (also der Graspiste...) pusht ein „Resort“ mit Druck Tourismus in der Region. Nicht ganz leicht, denn hier ist halt irgendwie auch nichts. Restaurant und alles andere sind geschlossen, aber ein Ferienhaus konnte ich mieten. Die Mädels am Emfang verkaufen mir noch fröhlich plaudernd ein paar Getränke und schon bin ich glücklich.

Eine RICHTIG heiße Dusche ist am Ende die ultimative Belohnung für die erste Etappe über 30km. Ist gut gegangen, ich fühle mich fit. Und auch wenn die Füße an ein paar Stellen dringend mal über Blasenpflaster sprechen wollen, habe ich spätestens jetzt wieder das Vertrauen darauf zurückgewonnen, daß das hier eine gute Reise wird.

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