Montag, 22. Mai 2023

Tag 4: Waldfrieden.

Montag, 15.05.2023
Morgens 12°, Nachmittags 24°; meistens bedeckt
6,25h mit Pausen, 4h reine Laufzeit
20km
Senoji Varėna nach Mielupiai

Gestern Abend in der Pizzabude hatte ich nochmal schnell mein Etappenziel für heute umgeworfen. Der Wetterbericht sagt für die nächsten Tage Regen voraus und ein nicht ganz so kleiner Luxusboy in mir wünscht sich zur Abwechslung nicht so sehr ein Bett, sondern vor allem etwas mehr Platz um mich herum. Die Zeltlogistik zwischen „welcher Beutel liegt wo“ und „wo hab ich nochmal X hingepackt“ ist einfach noch nicht eingespielt. Außerdem hab ich eine ziemlich schicke Hütte am Waldrand gefunden, die man auch für eine Nacht mieten kann.

Aber erstmal raus aus Varėna, das geht ganz schnell. Denn der Campingplatz liegt genau zwischen den beiden Hälften dieses Ortes und eigentlich ist es nur die Hauptstraße, die beide Teile verbindet. Ich überquere die Straße, verschwinde im Wald und bin raus.

Der Weg durch den Wald geht nach Nordosten und folgt grob der Merkys, in der ich gestern Abend an meinem Campingplatz gebadet habe. Langsam ändert sich auch der Wald: Die letzten drei Tage war es durchgehend der staubtrockene Kiefernwald auf Sandboden, der in der prallen Sonne so riecht wie der Wald rund um den Badesee meiner Kindheit. Jetzt sumpft es links und rechts des Weges ganz gewaltig und jedesmal, wenn ich wieder an einer dieser wassergefüllten Senken vorbeilaufe, schwillt das Summen und Surren der Mücken, Gnitzen und Bremsen um mich herum an wie die Brandung am Meer. Aber so sehr sich bei mir bei diesem Geräusch auch Gänsehaut aufstellt: Das günstig im Maxima in Druskininkai erstandene Mückenmittel hält. Richtig zerstochen bin ich irgendwie noch nicht.

Ich komme im Laufe des Tages durch drei oder vier kleine Dörfer. Nach dem lebendigen Wochenende mit Familien im Garten, spielenden Kindern und glücklich ratternden Rasenmähern ist heute mit dem Montag wieder Ruhe eingekehrt. Die Wochenendbewohner sind wieder in der Stadt, zurück bleiben die leeren Häuser und ein paar Alte, die liebevoll das Grundstück pflegen, damit es die Enkelkinder schön haben, wenn sie übernächste Woche wiederkommen.



 Durch die Stille geht heute ein steter Wind, der dem Tag etwas Melancholisches gibt.

Ich mache ausgiebige Pausen, weil ich heute viel Zeit habe. Morgen wartet der erste richtig große Tag auf mich (33km), ich forsche im Geiste schon immer, ob das was werden kann, ob ich mir das schon zutraue – aber irgendwann muß es sein. Ich hab mich jetzt 4 Tage eingelaufen, irgendwann wird’s halt ernst.


Am späten Nachmittag bummele ich auf die riesige Waldlichtung hinaus, an deren Rand meine Hütte für heute Abend steht. Die ersten Regentropfen fallen, ich gucke den Enten auf dem kleinen Teich zu und wundere mich mal wieder darüber, wieviel Essen ich noch im Rucksack habe. Die Pizza von gestern Abend hat nicht nur für das Frühstück heute früh gereicht, sondern es ist immer noch ein Viertel übrig. Dinner. Ich quietsche noch ein bißchen vor Kälte unter der Outdoor-Dusche mit Wasser aus dem Faß von oben und der Tag geht zu Ende. Zum Einschlafen höre ich noch dem Vogelnest zu, das oben direkt unter der Dachkante hängt. Alle 10 Minuten Einschlag des Elternteils, große Aufregung, Fütterung, Ruhe, und von vorn. Ein schöner Kreislauf.


1 Kommentar:

  1. Lieber Kilian, es ist schön zu lesen, dass du wieder an deiner Walk-Life- Balance dranbist. Freue mich auf neue Einträge. Bestes H

    AntwortenLöschen