Montag,
03.07.2023
Morgens
12°, Nachmittags 18°; wechselhaft, bedrohliche Wolken,
stürmisch
8,25h mit Pausen, 5,75h reine Laufzeit
27km
Vanaõue
Puhkekeskus (Gästehaus) nach Vändra
Zweimal bin ich in der Nacht aufgewacht, weil der Regen gegen mein Dachfenster gehämmert hat, als gäbe es kein morgen. Und am Morgen dann: Sonnenschein. Ich gucke aus dem Fenster und denke, mein Schwein pfeift...
Gleich auf der anderen Seite der Straße geht die offizielle Wanderroute weiter. Der Sandweg ist durch den Regen der letzten Nacht frisch geharkt, alles ist kühl und feucht, meine Fußspuren sind die Einzigen. Nach nur einer Viertelstunde stehe ich am ersten RMK-Zeltplatz. Hier wäre wohl mein Ausweichquartier gewesen, wenn das Gästehaus von gestern Abend mich nicht genommen hätte. Erinnert mich schwer an die sandigen Wälder rund um den Jägersee, den Baggersee meiner Kindheit.
Nach der ersten Stunde Weg kommt freundlicherweise eine kleine Picknickbank. Ich sitze im tosend lauten Wald, der Wind brüllt durch die Kronen der Bäume. Mir fällt auf … daß … ich heute bisher nichts zu Meckern habe! Die Wege sind … kleine Räuberwege. Keine geraden Schotterstraßen. Sondern schmale Pfade durch den Wald, mit so spannenden Sachen wie Wurzeln! Und … der Wind … wo zur Hölle ist mein Bremsen/Mücken/Fliegen-Schwarm? Weg! Sollte das … könnte das … der erste Tag sein, an dem ich nichts zu Meckern habe? Wäre der Wahnsinn.
Ich sehe ENDLICH die ersten Blaubeeren am Waldboden, natürlich nur an den sonnigsten Stellen. Ich hatte mich schon gewundert, wieso hier überall noch nichts an den Blaubeer-Büschen zu sehen ist, aber vielleicht habe ich dabei auch galant übersehen, daß Estland mal locker 700km? weiter nördlich ist als meine ursprüngliche Heimat Franken.
Auch der nächste Pausenplatz ist sonnendurchflutet und windzerzaust, ich sitze wie im Herbst mit ein paar Lagen Klamotten zuviel auf der Bank, damit mir nicht kalt wird. Herrlich. Nur 500m weiter stoße ich im Wald auf eine ehemalige Forstarbeiterhütte (Saeveski metsaonn), die heute vom RMK als für alle frei zugängliche Wanderhütte betrieben wird. Der Rundgang durch das Haus ist wie eine Zeitmaschine um 150 Jahre zurück. Alleine möchte ich hier nicht übernachten, zu spooky ist das Innere der Hütte und der Wald drumherum, zusammen mit dem Wind, der an jeder Ecke des Hauses rüttelt. Aber zusammen mit einer lärmenden Gruppe könnte man hier schön Spaß haben...
Gleich hinter der Hütte biegt der Weg wieder – ich kann es kaum fassen! - von der Schotterstraße schräg in das Waldstück ein und geht diagonal weiter durch den Wald. Ein echter kleiner Fußweg. Und der hält auch noch die nächsten 2 Stunden...
Irgendwann ist aber natürlich auch dieses Glück vorbei und ich stehe wieder auf einer Straße. Gegenüber das nächste Freilichtmuseum, heute Gott sei Dank geschlossen. Dann muß ich mir wenigstens keine Vorwürfe machen, daß ich das einfach links liegen gelassen habe. Das „C.R. Jakobsoni Talumuuseum“ zeigt den bäuerlichen Alltag von vor über 100 Jahren, schöne alte Scheunen, liebevoll restaurierte Holzhäuser, hier müsste man wahrscheinlich nochmal hin und gucken.
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Aufgabe: Bitte berechnen Sie das Verhältnis zwischen Konsonanten und Vokalen. |
Aber egal, Vändra. Ein Laden mitten im Zentrum! Glückliches Einkaufserlebnis im Coop zwischen weitläufigen Regalen. Danach: Es gibt eine Dorf-kneipe? -kantine? -pub? Egal, ich betrete einen sehr düsteren Raum ohne ein einziges Fenster. Die Tür ist die einzige Öffnung in dieser alten umgebauten Steinscheune. Drinnen ist es wie in Brandenburg. Die Dame hinter dem Tresen ist erst wenig begeistert von mir, meinem Rucksack und meiner generellen Präsenz. Ich bestelle, was da ist: Soljanka, Schnitzel, Pommes, Salat. Auch wie in Brandenburg. Als die Dame aber sieht, wie gut mir dieses erste warme Essen seit 4 Tagen schmeckt, wird sie plötzlich weich und schenkt mir doch noch ein Lächeln.
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