Samstag, 24. Juni 2023

Tag 29: Kleine Bummelei nach Cēsis.

Samstag, 17.06.2023
Morgens 16°, Nachmittags 28°; drückend und warm

5h mit Pausen, 3h reine Laufzeit
14km

Kārļi nach Cēsis

Frühstück wieder im Garten. Zu Pfannkuchen und Rhabarbermarmelade gibt es – Fischhäppchen. Ich verzichte dankend, nehme mir lieber noch ein Glas selbstgemachten Apfelsaft und mache mich auf dem Weg. Der Vormittag ist warm und diesig. Als ich gegen 10.00 Uhr loslaufe, hat es schon 22 Grad.


Nachdem ich mich die letzten Tage immer selbst reingelegt hatte, indem die Etappen am Ende deutlich länger waren als morgens gedacht, habe ich heute nun wirklich nur ein kleines Stück vor mir. Bis Cēsis sind es ungefähr 12km, vielleicht etwas mehr. Aber auf jeden Fall ein kleiner Tag zum Entspannen.

Die erste Stunde wie immer auf der Schotterstraße, dann darf ich auf immer kleiner werdende Waldwege abbiegen, die sich runter in Richtung Fluß schlängeln. Ich biege auf einen staubigen Sandweg ein, wo mich ein Schild darüber informiert, daß hier ab dem 17. Jahrhundert ein Gasthaus stand; dieser Sandweg war eine der wichtigstem Verkehrsadern zwischen Sankt Petersburg und Riga. Später wurde er von russischen Zaren, Katharina der Großen und - ? - Baron Münchhausen befahren. Ich schaue mich nochmal um, kann mir das von der Karte und vom Gelände her gut vorstellen, aber -- hier? Denn gleich 100m weiter beginnt der Parkplatz des Kamel-Zoos. Plötzlich Tourismus. Der Parkplatz ist gut gefüllt und ich höre Kindergekreische. Kamele. In Lettland...


Gleich neben dem stinkenden Dixie-Klo auf dem Parkplatz finde ich einen kleinen Trampelpfad in den Wald, ignoriere ein paar Schilder mit dem Hinweis „Privatgelände“, aber ich kann ja kein Lettisch. Dafür kann ich jetzt einen schönen verwunschenen Pfad unten am Fluß entlang laufen, der sich zwischen den Bäumen und Hügeln hindurch windet.

Heute ist der erste Tag, an dem mir klar wird, was der große Kanu-Tourismus auf der Gauja eigentlich bedeutet. Kein Wunder, heute ist Samstag und richtig schönes Wetter. Alle paar Minuten paddeln Boote flußabwärts vorüber, manche ruhig und entspannt, manche mit wummernder Boombox, so daß du das Partyvolk von 20min vorher durch den ansonsten stillen Wald hören kannst. Die wenigen sandigen Strände am Fluß sind gefüllt mit pausierenden Wassertouristen und ich kann mich nicht des Gedankens erwehren, daß das so gar nicht meine Art von Urlaub wäre...


Der verwunschene Trampelpfad wird mit der Zeit immer verwunschener und ich wünsche mir fast die breiten Wege der letzten Tage zurück. In einer kleinen Schlucht ist die Holzbrücke zusammengestürzt, also muß ich ein paar steile sandige Hänge hinunter- und wieder hinaufkraxeln, was mit dem fetten Rucksack leichter gesagt als getan ist. Immerhin bin ich weit und breit der einzige Spaziergänger auf der Landseite, das ist auch schonmal was wert.

An der nächsten Zeltwiese schlafe ich erstmal eine halbe Stunde im Gras ein und verlasse dann den Trampelpfad, nehme Kurs auf Cēsis. Ich hätte vielleicht auch noch eine Stunde weiter am Fluß entlang laufen können, aber Bauchentscheidungen sind immer wegweisend.


Cēsis selbst besticht durch erstaunlich leere Straßen, als wären alle Bewohner in den Urlaub gefahren (Oder auf dem Fluß. Oder beschäftigt mit Kanus vermieten.). Gegenüber des örtlichen Gefängnisses picknicken einige Tunichtgute aus den Kofferräumen ihrer Autos und ich kann mir das Schmunzeln nicht verkneifen, ob das vielleicht ein samstägliches Solidaritätspicknick mit ihren inhaftierten Kumpels sein soll? Ich werde es nie erfahren, mein Russisch sitzt einfach noch nicht so richtig und die Herren sehen so aus, als stünden sie unter dringendem Tatverdacht.

Am Supermarkt neben der Altstadt sehe ich einige Reiseradler, ich ziehe mit einem Eis in der Hand weiter auf den Marktplatz, staune über schöne alte Häuser und ein gehöriges Maß an Tourismus. Als ich vor 1,5 Jahren im Winter hier war, kam mir diese Stadt vollkommen unwirtlich und abweisend vor. Vielleicht, weil ich als alter Autofahrer nie einen Fuß in die Altstadt gesetzt habe. Und vielleicht weil es kuschelige -12 Grad und einen Meter Schnee hatte.

Meine Unterkunft liegt einen Steinwurf von der Burg entfernt, ich komme am mittleren Nachmittag an und falle erstmal entspannt auf die Couch. Kurze Tage können auch echt schön sein...

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