Samstag,
17.06.2023
Morgens 16°, Nachmittags 28°; drückend und warm
5h
mit Pausen, 3h reine Laufzeit
14km
Kārļi
nach Cēsis
Frühstück wieder im
Garten. Zu Pfannkuchen und Rhabarbermarmelade gibt es –
Fischhäppchen. Ich verzichte dankend, nehme mir lieber noch ein Glas
selbstgemachten Apfelsaft und mache mich auf dem Weg. Der Vormittag
ist warm und diesig. Als ich gegen 10.00 Uhr loslaufe, hat es schon
22 Grad.
Nachdem ich
mich die letzten Tage immer selbst reingelegt hatte, indem die
Etappen am Ende deutlich länger waren als morgens gedacht, habe ich
heute nun wirklich nur ein kleines Stück vor mir. Bis Cēsis
sind es ungefähr 12km, vielleicht etwas mehr. Aber auf jeden Fall
ein kleiner Tag zum Entspannen.
Die
erste Stunde wie immer auf der Schotterstraße, dann darf ich auf
immer kleiner werdende Waldwege abbiegen, die sich runter in Richtung
Fluß schlängeln. Ich biege auf einen staubigen Sandweg ein, wo mich ein Schild darüber informiert, daß hier ab dem 17. Jahrhundert ein Gasthaus stand; dieser Sandweg war eine der wichtigstem Verkehrsadern zwischen Sankt Petersburg und Riga. Später wurde er von russischen Zaren, Katharina der Großen und - ? - Baron Münchhausen befahren. Ich schaue mich nochmal um, kann mir das von der Karte und vom Gelände her gut vorstellen, aber -- hier? Denn gleich 100m weiter beginnt der Parkplatz des
Kamel-Zoos. Plötzlich Tourismus. Der Parkplatz ist gut gefüllt und ich höre Kindergekreische. Kamele.
In Lettland...
Gleich
neben dem stinkenden Dixie-Klo auf dem Parkplatz finde ich einen
kleinen Trampelpfad in den Wald, ignoriere ein paar Schilder mit dem
Hinweis „Privatgelände“, aber ich kann ja kein Lettisch. Dafür
kann ich jetzt einen schönen verwunschenen Pfad unten am Fluß
entlang laufen, der sich zwischen den Bäumen und Hügeln hindurch
windet.
Heute
ist der erste Tag, an dem mir klar wird, was der große
Kanu-Tourismus auf der Gauja eigentlich bedeutet. Kein Wunder, heute
ist Samstag und richtig schönes Wetter. Alle paar Minuten paddeln
Boote flußabwärts vorüber, manche ruhig und entspannt, manche mit
wummernder Boombox, so daß du das Partyvolk von 20min vorher durch
den ansonsten stillen Wald hören kannst. Die wenigen sandigen
Strände am Fluß sind gefüllt mit pausierenden Wassertouristen und
ich kann mich nicht des Gedankens erwehren, daß das so gar nicht
meine Art von Urlaub wäre...
Der
verwunschene Trampelpfad wird mit der Zeit immer verwunschener und
ich wünsche mir fast die breiten Wege der letzten Tage zurück. In
einer kleinen Schlucht ist die Holzbrücke zusammengestürzt, also
muß ich ein paar steile sandige Hänge hinunter- und wieder
hinaufkraxeln, was mit dem fetten Rucksack leichter gesagt als getan
ist. Immerhin bin ich weit und breit der einzige Spaziergänger auf
der Landseite, das ist auch schonmal was wert.
An
der nächsten Zeltwiese schlafe ich erstmal eine halbe Stunde im Gras
ein und verlasse dann den Trampelpfad, nehme Kurs auf Cēsis. Ich
hätte vielleicht auch noch eine Stunde weiter am Fluß entlang
laufen können, aber Bauchentscheidungen sind immer wegweisend.
Cēsis
selbst besticht durch erstaunlich leere Straßen, als wären alle
Bewohner in den Urlaub gefahren (Oder auf dem Fluß. Oder beschäftigt
mit Kanus vermieten.). Gegenüber des örtlichen Gefängnisses
picknicken einige Tunichtgute aus den Kofferräumen ihrer Autos und
ich kann mir das Schmunzeln nicht verkneifen, ob das vielleicht ein
samstägliches Solidaritätspicknick mit ihren inhaftierten Kumpels
sein soll? Ich werde es nie erfahren, mein Russisch sitzt einfach
noch nicht so richtig und die Herren sehen so aus, als stünden sie
unter dringendem Tatverdacht.
Am
Supermarkt neben der Altstadt sehe ich einige Reiseradler, ich ziehe
mit einem Eis in der Hand weiter auf den Marktplatz, staune über
schöne alte Häuser und ein gehöriges Maß an Tourismus. Als ich
vor 1,5 Jahren im Winter hier war, kam mir diese Stadt vollkommen
unwirtlich und abweisend vor. Vielleicht, weil ich als alter
Autofahrer nie einen Fuß in die Altstadt gesetzt habe. Und
vielleicht weil es kuschelige -12 Grad und einen Meter Schnee hatte.
Meine
Unterkunft liegt einen Steinwurf von der Burg entfernt, ich komme am
mittleren Nachmittag an und falle erstmal entspannt auf die Couch.
Kurze Tage können auch echt schön sein...
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