Freitag,
09.06.2023
Morgens 7°, Nachmittags 20°; durchgehend sonnig
9,75h
mit Pausen, 6h reine Laufzeit
30km
Jēkabpils
nach Pļaviņas
Nur
10 Minuten weiter muß ich über die Daugava-Brücke rüber nach
Krustpils, der Schwesterstadt am anderen Flußufer. Die Brücke ist
gerammelt voll mit Autos, Bussen, LKWs, Schwertransportern. Nach all den Tagen im Wald
wird mir jetzt erst wieder klar, wie laut und geruchsintensiv
Verkehr sein kann. Örks.
Wenn
ich vorgestern Jēkabpils durch die schöne Tür betreten habe, muß
ich heute quasi das Gegenteil tun. Lärmige Hauptstraßen, immerhin
ein schicker Blick auf das Schloß Kreutzburg, diverse Kreisverkehre
und Bahnanlagen, Fabrik für Betonteile, Tierheim, dann der letzte
Friedhof und endlich freies Feld. Ich mache sofort die erste Pause,
ich habe heute nur wenig Strecke vor mir und kann daher so viel Zeit verbummeln, wie ich nur irgend möchte.
Weiter hinten am Waldrand habe ich mir in der Planungsphase eine fabelhafte Streckenführung rausgesucht, schön auf kleinen Wegen durch den Wald nach Norden. Was mir dabei vollkommen entgangen ist: Hier ist ne Sandgrube! Alle 3 Minuten klappert und staubt ein LKW an mir vorbei und ich stehe an der Kreuzung und meine selbstgezimmerte Route möchte, daß ich jetzt genau hier links in die Sandgrube abbiegen. Widerwillig folge ich meinen eigenen Anweisungen, weil ich auf der Karte schon wieder sehen kann, daß alles andere ein riesiger Umweg wäre. Also hetze ich am Rand der Sandgrube entlang und bete dabei förmlich, daß mich kein Kipper auf dem gerade mal kipperbreiten Feldweg zu Brei fährt.
Gefühlt bin ich schon halb da, Pļaviņas ist mein Ziel für heute. Aber bei einer kleinen Rast am Fluß, in einem schönen Park auf einer alten Schanzenanlage wird mir klar: Heute hab ich mich mal gehörig verschätzt. Ich dachte so an lockere 24km (und entsprechend habe ich auch ordentlich pausiert und rumgebummelt), aber es werden wohl eher so an die 30km werden. Vorne war die Tour ein bißchen länger als gedacht, hintenraus wird sie es auch nochmal werden, weil meine Unterkunft für die Nacht deutlich hinter dem Ort liegt. Also habe ich doch noch eine gute Stunde zu gehen.
Das Motel ist – mutig. Als ich um 19:00 ankomme, ist das für meine Verhältnisse relativ spät. Für die Verhältnisse dieses Motels aber wohl relativ früh, kein einziges Auto auf dem Parkplatz, und die Frau hinter dem Tresen schaut mich an wie ein Maulwurf, als ich zur Tür hereinkomme. Sie winkt noch jemanden herbei, der mir auf Englisch klarmachen kann, daß es erst ab 21:00 heißes Wasser gibt, ich steige eine Metalltreppe hinauf unter die Dachschräge und beziehe ein seltsames Zimmer, das man am besten als eine Mischung zwischen englischem Kitsch, skandinavischer Strenge und polnischem Pragmatismus beschreiben könnte.
Ich dusche kalt, steige wieder hinunter in die Bar, die Barfrau dreht den lettischen Discopop nur für mich an, ich trinke zwei Bier zur Soljanka und zum Tellergericht mit Salat und – was will ich eigentlich mehr? Besänftigt von zwei Bier nimmt der Abend ein zügiges Ende, während ich den einzelnen LKW auf der Landstraße beim Vorbeirauschen zuhöre.
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