Mittwoch,
07.06.2023
Morgens 8°, Nachmittags 24°; sehr sonnig
9h mit
Pausen, 6,5h reine Laufzeit
31km
Zasa nach Jēkabpils
Natürlich habe
ich mir den Park gestern Abend nicht mehr angeschaut. Aus dem kleinen
Nickerchen am frühen Abend wurde ein gemächliches Entschlummern in
einem riesigen bequemen Bett, frisch geduscht, frisch frisiert. Dagegen sollte man nicht ankämpfen.
Hinein in den
nächsten warmen Tag. Ich freue mich sofort nach dem Loslaufen über Sonne und Wind auf meinen Armen. Das Dorf Zasa habe ich schnell hinter mir
gelassen, danach noch ein paar einzelne Häuser, eine kleine Pause am
Waldrand und schon wieder laufe ich über kilometerlange gerade
Forststraßen. Zusammen mit dem Schwarm Bremsen, an den ich mich noch
nicht gewöhnen konnte. Mein Endgegner heute ist aber eine 6,5km lange
gerade Forststraße in Richtung Nord-Nordwest; ich hab mir gestern
Abend schon ausgerechnet, daß mich die Sonne genau von hinten
treffen wird und ich mit Sicherheit kein Stück Schatten abbekommen
werde.
In der letzten
Kurze vor den 6,5km geradeaus mache ich nochmal Pause und setze mich
in den Schatten einer Birke, die schwirrenden Bremsen verziehen sich
und ich genieße die Ruhe und die Kühle des Waldes, bevor
ich mich an die nächste Nervenprüfung mache. Ein Apfel, ein bißchen
Süßkram, eine Scheibe Brot und soviel Wasser, wie ich lustig bin.
Ich bin heute früh mit vollen Flaschen plus Zusatzgetränken
gestartet: Ich glaube kaum, daß ich in diesem Wald irgendwo
brauchbares Wasser finden werde.
Ich lege
nochmal Sonnencreme nach, und am Ende kriege die nächsten
eineinhalb Stunden doch irgendwie gelaufen, danach eine 90°-Kurve
nach rechts, eine kleine 45°-Kurve nach links und nochmal ein paar
Kilometer geradeaus. Es ist leider genauso langweilig, wie es in der
Beschreibung klingt.
An der
nächsten Weggabelung stoße ich überraschend auf eine schöne große
Picknickhütte. Die Staubwolken der ab und zu vorbei fahrenden Autos
und Trucks haben alles mit einer feinen Schicht von weißem Staub
überzogen. Ich habe zwar erstvor Kurzem Pause gemacht, aber mal wieder
so richtig zivilisiert auf einer Bank zu sitzen, kann ich mir nicht
entgehen lassen. Also werfe ich die Stiefel ab (weil ich es mir wert
bin) und lese ein bißchen, während ich entspannt mit den Zehen
wackeln kann.
Zwei Kilometer
weiter überholt mich ein Forstbeamter im Pickup, hält im Schatten
des nächsten Baumes an und will plaudern. Wir sind natürlich Lost in
Translation, Lettisch/Russisch gegen Deutsch/Englisch, ich kann ihm zumindest meine Route und den großen
Rucksack erklären, ihm auf seine Nachfrage hin versichern, daß
meine Füße fit sind und wir ziehen beide sehr zufrieden mit den Neuigkeiten weiter
unserer Wege.
Plötzlich
öffnet sich der Wald und die ersten Häuser, Bauernhöfe und Felder
erobern den Horizont. Die Nachmittagssonne brennt sich stechend in
meine Arme, während ich mich auf die letzten Kilometer nach
Jēkabpils hinein mache. 21.500 Einwohner, an der Daugava gelegen, die
einzige größere Stadt zwischen Riga und Daugavpils. Ich darf heute
den schönen Eingang in die Stadt nehmen, durch die Siedlungen mit
den neuen und alten Einfamilienhäusern. Mein Apartment liegt in
einem sowjetischen Wohnblock im südlichen Teil der Stadt, vor der
Tür spielen Kinder, Autos sind wild und chaotisch auf dem sandigen
Hof hinter dem Haus geparkt, im Treppenhaus werde ich argwöhnisch
beäugt und alles in allem fühlt sich das richtig gut an.
Ich baue mein
Zelt auf dem Balkon auf (immer noch naß von gestern früh...), höre
dem rasselnden Bergarbeiterhusten des Balkonbewohners eine Etage
tiefer zu, schaue aus dem Fenster auf bunte bröckelnde
Betonfassaden, ergattere gegenüber im Laden Dillchips und Kefir für einen entspannten Abend und merke, daß ich
wirklich alles habe, was ich brauche.
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