Sonntag,
04.06.2023
Morgens 5°, Nachmittags 15°; wolkig, windig,
Schauer
7,75h mit Pausen, 5,25h reine Laufzeit
27km
Daugavpils
nach Ilūkste
Ok, das kostet
heute richtig Überwindung. Draußen ist es saukalt, gestern sind die
Temperaturen nochmal ordentlich gefallen, es hat viel geregnet und
tagsüber wurde es nicht wärmer als 14 Grad. Heute soll es nicht
viel besser werden. Ich stelle mich darauf ein und ziehe mir die
Jacke bis unters Kinn zu. Harhar: Nur gut, daß ich vor ein paar
Tagen meine einzige lange Hose in ein Paket gepackt und zusammen mit
ein paar anderen „unnützen“ Dingen nach Hause geschickt habe.
Ach, die will ich nicht mehr mit mir rumschleppen. Ist doch jetzt
Juni, wird doch jetzt nicht mehr kalt. Denkste.
Erstmal raus
aus Daugavpils. Ich kenne den Weg schon, ich bin hier vorgestern
entlang geschlendert, als ich mir die Festung angeschaut habe. Nach
Nordwesten aus der Innenstadt raus, etwas neben der Ausfallstraße
balancieren, im Geiste bei Daugavpils für die entspannten Pausentage
danken, durch das Michaelstor die Festungsanlage betreten, durch das
Konstantintor auf der anderen Seite wieder raus. Kenne ich alles
schon, wie ein Profi. Dahinter beginnt zugegebermaßen der doofe
Teil. Ich suche mir meine Schleichwege zwischen Kasernen, Tanklagern,
Bahnanlagen und Autowerkstätten. Dann Datschas, winzig und nebeneinander gedrängt. Über mir kreist ein alter
Doppeldecker, wenn mich meine Augen nicht täuschen, müsste es eine
Antonow An-2 sein. Der Motor dröhnt in den Sonntag hinein,
wahrscheinlich Rundflüge für die Besuchenden des Stadtfestes.
Eine Stunde
durch den Wald, eine halbe Stunde übers Feld und die Stadt liegt
erstaunlich weit hinter mir. Die ersten Bauernhöfe und ihre Felder
prägen das Bild. Weiter vorne sehe ich die Brücke der A14 über die
Daugava. Die LKWs ziehen in der Entfernung wie stille fette Wolken über
die Lanstraße und die Brücke. Ich muß da auf jeden Fall hoch und
drüber, das ist die einzige Brücke für die nächsten 80km, bis
Jekabpils (4 Tagesetappen später) gibt es nichts mehr. Also kraxele
ich ein bißchen Böschungen hoch, gehe den schmalen Weg neben der
Fahrbahn entlang, auf dem man fieserweise ständig durch einen
Gitterrost nach unten schauen muß. Urks.
Auf den Felder
packt mich der Wind und die ersten Regentropfen des Tages wehen
heran. Die Dörfer hier erscheinen noch etwas leerer und verfallener
als drüben in Litauen, aber vielleicht ist auch das fahle Licht
dieses wenig einladenden Tages daran schuld. Im Wald mache ich
erstmal ausgiebig Mittagspause, ein Motocross-Fahrer brettert grußlos
vorbei, ich räume den Rucksack auf Regenmodus um und sitze zufrieden
im Wald und gucke einfach irgendwo hin.
Ich komme gut
voran, die Schmerzen in den Knien sind durch die Pausentage wieder
verschwunden. Außerdem habe ich auch wieder zu meiner alten
Laufgeschwindigkeit gefunden, nur die Lust auf mehr Pausen ist
geblieben. Aber mir fallen nicht viele Gründe ein, warum ich nicht
einfach mehr Pausen machen sollte. Einfach entspannt am Wegesrand
irgendwo den Rucksack fallen lassen, Stiefel ausziehen, was Essen,
was Lesen, irgendwann weiter. Meiner Zufriedenheit ist das sehr
zuträglich.
Heute am
späten Nachmittag soll es noch mehr regnen, also gebe ich etwas Gas,
um anzukommen. Aber am Friedhof von
Ilūkste liegt so schön einladend ein Baumstamm, den ich nochmal für
eine kleine Endspurt-Rats nutze. Sand aus den Stiefeln kippen, neu
schnüren und weiter. Im Dorfsupermarkt kaufe ich mir noch ein paar
Dinge für heute Abend und die nächsten zwei Tage. Morgen und
übermorgen warten zwei lange Etappen ohne Einkaufsmöglichkeiten auf
mich, mit Zelten zwischendrin. Umso dankbarer bin ich, daß ich
diesen kalten und regnerischen Abend in einem kleinen Ferienhaus
verbringe. Die Vermieter haben freundlicherweise vor meiner Ankunft
den Ofen angeworfen, es ist angenehm warm und ich bin zufrieden.
Es
ist schön, wieder unterwegs zu sein.
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