Montag,
29.05.2023
Morgens 8°, Nachmittags 19°; teils heiter / teils wolkig
9h
mit Pausen, 7,5h reine Laufzeit
35km
Visaginas (LT) nach Daugavpils (LV)
Schon bei der Planung dieser Etappe habe ich geahnt, daß ich mich später dafür hassen würde. Ich habe gesucht und überlegt ob es irgendwie anders geht, am Ende aber festgestellt, daß mir keine richtige Alternative einfällt. Also habe ich mir dir heutige Etappe so markiert, kurz boshaft gelacht und zu mir gesagt: "Der Tag wird keinen Spaß machen...".
Daran erinnere ich mich sehr lebhaft, als ich sehr früh am Morgen aus Visaginas losziehe. Vor mir liegen 35km entlang der Bahnlinie nach Daugavpils, auf Feldwegen neben den nicht mehr befahrenen Gleisen. Es wird ein langer Tag werden, langweilig, in der prallen Sonne und ohne echte Abwechslung. Aber ok, wenn die Motivation mal fehlt, dann muß halt die Disziplin her. Und so schalte ich für heute um auf "das machste jetzt halt mal".
Kurz hinter dem Bahnhof überquere ich die Gleise und reihe ich mich in die Fahrspur links neben der Bahnlinie ein -- und damit ist der Tag fast schon auserzählt. Für die nächsten Stunden sind die einzigen Abwechslungen, daß der Weg mal links, mal rechts der Gleise verläuft. Meistens einspurig, manchmal sogar zweispurig. Dann wieder einspurig!!
Litauen ist jetzt also durchwandert, ich mache stolz ein paar Fotos von meinem Rucksack am Grenzstein. Dabei kriege ich gar nicht mit, daß 10m weiter ein Dorfhund mittig zwischen den Gleisen in der Sonne liegt und mir zuguckt. Ok, wenn DAS meine Grenzkontrolle für heute sein soll, dann gebe ich bereitwillig Auskunft.
Ungefähr 2 oder 3 Stunden vor meiner Ankunft in Daugavpils kann ich von einer Anhöhe aus die ersten Plattenbauten der Stadt in der Ferne flimmern sehen. Was für ein bösartiges Foul, mir das Ende der Etappe so früh vor die Nase zu halten. Also weiter, hilft ja nichts. Zwei Angler grüssen auf Russisch, sonst habe ich seit der Grenze keinen Menschen mehr gesehen. Vielleicht ist das der Unterschied zu Litauen: Lettland wirkt noch leerer. Aber vielleicht ist das auch ein voreiliges Urteil.
Meine Apartmentvermieterin trifft mich vor dem Haus, ich werfe vollkommen erledigt meinen Rucksack ab, fahre das Grundreinigungsprogramm in der Dusche und schleppe mich später noch gerade so zum nächsten Laden, um ein paar Getränke einzukaufen. Ich werde erstmal ein paar Tage hierbleiben, Daugavpils ist mit seinen 70.000 Einwohnern die größte Stadt weit und breit (witzigerweise die zweitgrößte Stadt Lettlands, nach Riga) und ich möchte meinen Knien und meinem Körper mal ein paar Tage Ruhe gönnen. Eigentlich wollte ich nur zwei Tage bleiben, wahrscheinlich bleibe ich aber bis zum Wochenende. Mal sehen, das entscheide ich vielleicht morgen. Oder so.
Aber ich bin stolz und glücklich, daß ich Litauen durchwandert habe und freue mich gleichzeitig auf das nächste Stück Weg in Lettland. Hier war ich noch viel zu selten, das kann ich jetzt ändern.
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