Freitag, 19. Mai 2023

Tag 1: Aufbruchstimmung.

Freitag, 12.05.2023
Morgens 3°, Nachmittags 20°; sonnig
7,5h mit Pausen, 4,5h reine Laufzeit
25km
Druskininkai nach Margionys

Heute hätte eigentlich gestern sein sollen. Ich meine, eigentlich wollte ich gestern schon loslaufen. Aber ich hatte mir noch einen zusätzlichen Tag im Hotel verschrieben, da die vergangene Nacht nochmal richtig kalt wurde (3°). Die nächsten Nächte sollen deutlich wärmer werden, so 8° bis 11°, das passt schon etwas besser zu meiner Zeltausrüstung. Also noch eine weitere Nacht Urlaubsluxus in einem richtigen Bett mitgenommen.

Umso feuriger freue ich mich heute früh aufs Loslaufen. Frühstück gleich um 08:30, dann den Rucksack gepackt und los. Auf dem Weg raus aus Druskininkai nehme ich den kürzesten Weg an der Hauptstraße entlang, halte nur nochmal schnell an der Bäckerei und kaufe überteuertes Backwerk.

Eine knappe Stunde später überquere ich die leere A4, die hier eigentlich nur eine glorifizierte Landstraße ist. Wenn ich rechts abbiegen würde, käme in ein paar Kilometern die weißrussischen Grenze. Weit und breit kein Auto zu sehen.

Gleich gegenüber verschluckt mich der Wald mit einem kleinen Trampelpfad, die ersten Meter sind wie immer links und rechts mit in sich zusammengesunkenen Klopapierhaufen gesäumt. Aber das geht schnell vorbei. An der nächsten Lichtung wird der Trampelpfad zu einer der klassischen Sandpisten. Danach geht es den restlichen Tag eigentlich nur noch geradeaus, nach Osten. Könnte von der Optik her auch Brandenburg sein, hat mal eine kluge Frau gesagt...

Gegen Mittag peile ich die erste Pause an, der Ašarelis glitzert durch die Bäume, ein kleiner Waldsee ohne irgendwelche Bebauung drum herum. Das ganze Ufer entlang Picknickbänke, Feuerstellen, ein Steg, Landschaftsmöblierung. Der See riecht wunderbar kalt, und ich kann nicht anders als – anbaden. Das Wasser ist tiefschwarz, saukalt und geht mir nur wenige Schritte vom Ufer schon bis zur Brust. Als ich erstmal drin bin, merke ich schnell wieder, daß Seewasser meistens an den tiefen Stellen noch viel kälter ist – und schon bin ich unter Prusten und Quieken wieder draußen. SEHR erfrischend! 10 Sekunden ausgehalten...
Dafür sitze ich noch ne Stunde in der Sonne und komme gar nicht richtig darauf klar, daß mein Arm nach sommerlichem Badesee riecht.

Ursprünglich wollte ich heute „zum Warmwerden“ nur eine kleine Tour machen. Mein eigentliches Ziel war also eine Zeltwiese am See in Latežeris, das wären von hier aus aber nur noch 3km. Ich hab für heute auf jeden Fall noch Reserven und auch noch Bock, weiterzulaufen. Also entscheide ich mich spontan um und laufe noch ein paar Stunden weiter bis Margionys. 25 statt 13km.

Außer Sandpisten und Kiefernwald, Sumpfstellen und Mückenschwärmen, Sonne und blauem Himmel ist heute nicht viel zu sehen. Es riecht nach Kiefernnadeln auf heißem Sand, wie damals im Wald meiner Kindheit. Als ich am späten Nachmittag wieder in die Nähe des Dorfes komme, fällt mir auf, daß ich seit Druskininkai (also seit locker 6h) keinen Menschen, kein Haus und kein Auto gesehen oder gehört habe.

Ich laufe durch das malerische Straßendorf, das ich von einigen Urlauben gut kenne. Hier gibt es ein Ferienhaus, in dem ich schon einige Male zu Gast war. Ich statte dem Haus einen kurzen Besuch ab und ziehe weiter ans Ende des Dorfes. Von meinen Besuchen weiß ich noch, daß es hier eine Quelle, eine Picknickhütte und auch ein kleines Stück Gras gibt, wo ich heute Abend mein Zelt aufbauen kann. Natürlich gibt es einen Teil von mir, der heute gerne an einem schicken See gezeltet hätte, aber man kann nicht alles haben.

 


Der Nachbar mäht nebenan fleißig seinen Rasen, 1x Dorfjugend auf E-Scooter düst heran und dreht erschrocken wieder um, die Mücken freuen sich über meinen Besuch und ich sitze ganz fröhlich auf meiner Picknickbank. Zum Abendbrot gibt es das überteuerte Backwerk und ich bin jetzt doch sehr zufrieden, daß ich es mitgeschleppt habe. Es ist ein Festmahl in der tiefstehenden Sonne.

3 Kommentare:

  1. Juliane Latzke19 Mai, 2023 23:20

    Oh Kilian, wie schön sich das liest!!! Wunderbar. Weiterhin viele gute Wandermomente, einsame Stunde, plötzlich auftauchende Dorfjugendliche:)… und vielleicht ein wenig wärmere Seen. Lieben Gruß Jule

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  2. Habe mich heute spät gegen eine Wanderung ins Bürckner Eck entschieden, traf stattdessen auf deinen Text - und habe mich sehr gefreut, von dir zu lesen.

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